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Wie man mit virtuellem Fußball das Studium finanzieren kann

Posted by worldboard on July 14, 2007

Freitagabend am Kölner Rheinufer: Jogger und Radfahrer nutzen die letzten Sonnenstrahlen, während Hunderte von Jugendlichen in den Veranstaltungssaal nahe der Kölner Messe strömen. Hier findet heute die „Friday Game Night“ statt, eine Art Champions League der Computerspieler-Szene. Für manche ist das Arbeit.

Fast 500 Zuschauer haben sich versammelt. Die Bühne wird von einer riesigen Leinwand eingenommen. Davor ein Tisch mit zwei Computern, an jedem sitzt ein Spieler. Konzentriert schauen die beiden auf ihre Bildschirme. Gespielt wird Fifa 07 – eine Fußball-Simulation. Die Stimmung ist prima: Gute Spielzüge belohnt das Publikum mit Applaus, bei einem Fehlschuss geht ein enttäuschtes Stöhnen durch den Saal.

Nur Sprechchöre gibt es nicht. Ansonsten ist der „E-Sport“ wohl schon in der Liga der normalen Sportarten angekommen. Überall haben die Sponsoren ihre Botschaften hinterlassen. An Informationsständen können die neusten Spiele, das neueste Game-Equipment ausprobiert werden. Eintrittsgelder gehören dabei kaum zur Finanzierung des Sports: Ganze zwei Euro kostet der Eintritt, Frauen kommen gar umsonst in den Saal. Entgegen der landläufigen Meinung sind ungepflegte oder übergewichtige Computerfreaks nicht zu sehen – eher gemischtes Diskopublikum ab 16 Jahren. Jüngere Spiele-Fans dürfen den Saal wegen der Jugendschutzgesetze nicht betreten.

Wer bei der Pro Series auf der Bühne sitzen darf, spielt längst nicht mehr zum Spaß. Hier gibt es nur noch Profis. Europaweit sind über 600.000 Spieler bei der Liga registriert, sie sind in unzähligen Ligen und „Clans“ organisiert. Nur die besten qualifizieren sich für die Pro Series, die heute ‘Abend ausgetragen wird. Dennis Schellhase, der grade auf der Bühne sitzt, tritt an gegen ein Mitglied des Teams mTw.PokerRoom mit dem Nicknamen BroDo. Schellhase gehört zu den Stars des Geschäfts. Zusammen mit seinem Zwillingsbruder Daniel räumt er seit vier Jahren im E-Sport Preise ab. Drei Weltmeister-Titel haben die 23-Jährigen in den letzten Jahren erringen können.

Traumjob Computerspieler?

„Spielen ist ein Traumjob“, erklärt Dennis. Um ihre Titel zu erringen, müssen Profis täglich nur eine Stunde trainieren – vor großen Wettkämpfen etwas mehr. Von den Einkünften können sie gut leben: Jedes Jahr verdienen die Schellhases alleine mit Preisgeldern einen fünfstelligen Betrag, hinzu kommen noch weitere Einnahmen: Ihr Team wird zum Beispiel vom Sportartikelhersteller Adidas gesponsert. Alle Team-Mitglieder tragen entsprechende Trikots.

„Für uns ist das vor allem eine Möglichkeit, unser Studium zu finanzieren“, erklären sie. Wie lang sie das noch machen werden, wissen sie nicht. Irgendwann lassen bei jedem Spieler die Reflexe nach. Das Studium steht für beide deshalb an erster Stelle, sie wünschen sich einen normalen Job in der Wirtschaft. Natürlich am Computer – beide studieren Wirtschaftsinformatik. Zwar spielen sie auch mal richtigen Fußball, für sie ist das virtuelle Ballspiel aber genauso real: „Für uns ist das ein echter Sport.“

 

 

TEIL 2

Der Meinung ist freilich nicht jeder. So verweigert der Deutsche Olympische Sportbund (DSOB) den Computer-Ligen die Mitgliedschaft. Bei den Computerspielen gebe es zu wenig motorische Aktivität, befinden die Sportfunktionäre. Zwar sind Schachvereine aus Traditionsgründen Mitglied der Sportfamilie, die E-Sportler müssen aber draußen bleiben. Einen weiteren Grund verrät der Sportbund auf Anfrage: „Bei vielen Verbänden aus dem E-Sport-Bereich handelt es sich nicht um gemeinnützige Organisationen, sondern um Wirtschaftsunternehmen“, erklärt DSOB-Justiziar Hermann Latz.

Kommerz und Strategie

Der Kommerz ist in der Tat nicht zu übersehen. An allen Wänden hängen Plakate der Sponsoren – meist sind es Computerfirmen wie der Chip-Produzent Intel. Mehr noch: Der Veranstalter der Liga, die Kölner Firma Turtle Entertainment, besitzt die Rechte an gleich mehreren Ligen und ist dazu am Sender Giga beteiligt, der unter anderem aus der Welt der Computerspiele berichtet. Zwar ist dieser Sender für viele nur per Internet zu empfangen, trotzdem sind die Spielberichte populär. Die Schellhase-Zwillinge sind zu richtigen Berühmtheiten geworden: Sie werden in der Disko erkannt und müssen gelegentlich sogar Autogramme geben.

Während sich die siegreichen Schellhase-Zwillinge von ihren Fans verabschieden, läuft schon der nächste Wettbewerb. Diesmal sitzen keine Spieler auf der Bühne, nur auf der Leinwand ist das Spiel zu sehen. Gespielt wird ein Strategie-Spiel: Warcraft 3. Zwei Moderatoren des Fernsehsenders Giga kommentieren das Geschehen auf der Leinwand, auf der sich Fabelwesen wie Orcs und Zauberer bekriegen.

Weil die Kommentare den Spielern zu viel über die Strategie des Gegners verraten könnten, sitzen die Kontrahenten isoliert in kleinen Räumen in einem Nebengebäude. Auch sie sind Profis: Andrew Regendantz, in der Szene bekannt als „fire_de“, spielt gegen den sechsfachen Deutschen Meister Daniel Holthuis, auch bekannt als „miou“. Das Publikum im Saal verfolgt die Spielzüge aufmerksamer als beim virtuellen Fußball-Spiel. Statt nur einen Ball hin und herzukicken, müssen die Spieler Dutzende Figuren gleichzeitig unter Kontrolle halten, Goldminen und Dörfer bauen und den Gegner mit Blitzangriffen überraschen. Als es nach zwei Runden unentschieden steht, sieht das Publikum gebannt zu, wie sich die Sagenwesen gegenseitig attackieren, wie die Spieler versuchen, mit Goldminen und Zauberkräften ihre Armeen in eine strategisch bessere Position zu bringen. Mit einem überraschenden Spielzug schafft miou die Wende und gewinnt.

Städtewettbewerb um World Cyber Games

Auch die Spiele-Branche muss derzeit viel Gehirnschmalz in ihre Strategie stecken. Denn die andauernden Killerspiel-Debatten beuteln die Beteiligten, die Stimmung bei deutschen Spiele-Herstellern ist nicht besonders gut. Doch es gibt auch Unterstützung: So verkündete der Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma im Frühjahr stolz, dass die „World Cyber Games“ im Jahr 2008 in der Kölner Messe abgehalten werden. „Wir freuen uns sehr, unsere Rolle als Gastgeber für Teilnehmer aus der ganzen Welt wahrnehmen zu dürfen. Unsere Stadtverwaltung hat enorme Anstrengungen unternommen, um dieses weltweit wichtigste eSport-Event in die Domstadt zu holen“, erklärt Schramma. In der offiziellen Pressemitteilung der Stadt wird das Ereignis sogar mit dem Weltjugendtag und der Fußball-WM in der Domstadt verglichen.

Dass die von vielen als steril und emotionsarm empfundenen Spiele durchaus Massen euphorisieren können, zeigt sich bei der dritten Runde an diesem Abend. Auf dem Programm steht Counter-Strike. Zwei Teams bekriegen sich gegenseitig mit Gewehren, Pistolen und Blendgranaten. Der Bestseller unter den als „Killerspiele“ verfemten Ego-Shootern setzt ein Höchstmaß an Strategie und Teamwork voraus. Im Gegensatz zu den anderen Disziplinen spielen hier alle Teamspieler gleichzeitig auf einem Feld.

Die Teams, in denen sich die Spieler organisieren, sind professionelle Firmen mit eigener Pressearbeit, Fanbetreuung und eigenen Sponsorverträgen – nur Team-Masseure fehlen. Ihnen gehören bis zu 60 Spieler in unterschiedlichen Kategorien an. Für besonders gute Mauskünstler werden sogar Ablösesummen bezahlt – zwar nicht im sechsstelligen Bereich, aber mehrere Tausend Euro kommen da schon mal zusammen. Heute Abend tritt das Team des Computerhändlers Alternate gegen den Clan Mousesports an. Um dem Fußballfan eine Vorstellung von der Bedeutung zu geben: Das entspricht einem Match zwischen Bayern München und Schalke 04.

Lokalderby inklusive

Während sich im Hauptsaal inzwischen fast 1000 Fans versammelt haben, sind die Spieler wieder ins Nebengebäude umgezogen. Bei Counter-Strike spielen fünf Spieler zusammen. Sie starren hochkonzentriert auf ihre Bildschirme. Der Chef-Stratege der Mannschaft schickt seine Mannen auf die Positionen. „Einer ist auf dem Spot, zwei im Kabuff, passt auf.“ Alle Team-Mitglieder kennen das Spielgelände wie ihre Westentasche. Sie sprechen sich mit knappen Kommentaren ab. Doch für Mousesports sieht es an diesem Abend nicht gut aus. Eine Runde nach der anderen verlieren sie an die Konkurrenten. Am Schluss können sie nur ihre Niederlage eingestehen.

Nachdem das letzte Spiel vorbei ist, leert sich der Saal in Rekordgeschwindigkeit. Es ist vor Mitternacht – viele fahren noch in die Stadt, um den Abend in den Diskos und Clubs der Domstadt zu feiern. Manche fahren aber auch schnell nach Hause. Sie wollen am nächsten Tag ausgeschlafen sein. Denn in der Computer-Liga ist jeder Tag ein Spiel-Tag. Dann aber nicht auf der Bühne, sondern vor dem heimischen Rechner.

Die Endausscheidungen der eSport-Liga laufen vom 15. bis zum 17. Juni in Köln. Für die Profi-Sportler wird dies ein heißes Wochenende: Insgesamt 165.000 Euro werden an die Spitzenreiter der Saison ausgeschüttet.

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